Weihnachten 2016. Ich nippe gerade an dem Glas, das meine Tante soeben großzügig neu befüllt hat, während ich durch mein Handy zappe und mehr durch Zufall als bewusst beabsichtigt auf eine App klicke, die meinen Regelkalender beinhaltet. Überrascht schaue ich auf die Zahl, dir mir die App anzeigt. Schon 10 Tage überfällig. Krass. Ich hatte zwar gewusst, dass meine Regel nun langsam hätte kommen sollen, aber 10 Tage drüber, das hatte ich nicht erwartet.
Ich stoße meinen Freund leicht an und mache ihn auf das Display meines Handys aufmerksam. Er nickt langsam. Wie soll er auch sonst vor der ganzen Familie reagieren? Ich stecke das Handy weg und schiebe ihm unauffällig das Glas mit Opas selbst gemachtem Johannisbeerschnaps zu. Ärgerlich – da freute man sich das ganze Jahr über auf die Beeren, da der Flascheninhalt zu 75% aus diesen bestand, und dann sowas. Na gut – gibt schlimmeres.
Einige Tage später sitze ich auf dem Klo und pinkele auf den kleinen Plastiktest in meiner Hand. Es ist nicht der erste, den ich in meinem Leben mache, aber der erste mit Bedeutung.
Mein Freund wartet vor der Tür, eigentlich soll ich nicht ohne ihn auf den Test schauen, aber das ist unmöglich, da das Plus quasi schon erscheint, noch bevor ich ihn überhaupt ausgepackt habe.
Grinsend komme ich nach draußen in den Flur. Wir warten vorsichtshalber noch 2 Minuten ab – nicht, dass das Plus dennoch wieder verschwindet – aber laut dem Stück Plastik ist es Wirklichkeit: Ich. Bin. Schwanger.
Einige Tage später habe ich einen Termin bei meiner Frauenärztin ergattert. Sie bestätigt mir, was ich nun ohnehin schon wusste – ich trage ein Leben in mir – und diesem Leben geht es hervorragend.
Nun beginnt – relativ unerwartet (schließlich muss jeder, der Sex hat, auch damit rechnen, schwanger zu werden oder ein Kind zu zeugen, egal wie viele Verhütungsmittel man nutzt) – ein völlig neuer Lebensabschnitt.
Arzttermine, “Mama-Bücher”, Babyklamotten, Vorbereitungskurse.
Die ersten Monate sind unglaublich schlimm für mich. Ich kotze mehrmals täglich, lerne mindestens 5 neue Arten von Übelkeit kennen, kann weder etwas essen, noch trinken, geschweige denn riechen, ohne mich wimmernd an die Kloschüssel zu klammern, mir ist ständig kalt, ich habe Schmerzen an Stellen, an denen keine Frau Schmerzen haben will, und, und, und.
Jeder sagt mir: “Keine Sorge! Spätestens in der 12. Schwangerschaftswoche geht das wieder vorüber!” Problem: Als ich von der Frauenärztin bestätigt bekomme, schwanger zu sein, bin ich mindestens schon in der 4. Woche. Ich erreiche – wie irgendwie zu erwarten war, die 12., 13., 14., 15. Woche und es wird nicht besser.
Irgendwann merke ich, ich kann die alten Röcke, Strumpfhosen und Hosen nicht mehr tragen, habe zwar noch keinen sichtbaren Babybauch, aber alles drückt.
Mit jedem Tag, mit dem dann doch irgendwann die Übelkeit und die Kotzerei besser wird (nachdem ich 8 kg leichter geworden bin und mir von jedem die vorwurfsvolle Frage anhören musste: “Hast du abgenommen?”, ganz als hätte ich eine strenge Diät gemacht, obwohl ich schwanger bin – nein, ganz im Gegenteil, ich wurde zu einer Zwangsdiät gebracht, nicht OBWOHL, sondern WEIL ich schwanger bin) entwickelt mein Körper neue Zimperleinchen.
Je mehr der Bauch wächst, desto mehr drückt die Gebärmutter auf die Organe, meine Beine tun unglaublich weh (und ich möchte betonen, wenn ich anfange zu jammern, dann habe ich SCHMERZEN und nicht kleine Wehwehchen – schließlich bin ich eine Frau!) und da ich zuvor so viel gekotzt habe, dass meine Speiseröhre irgendwann aufriss, und ich Blut spuckte, kann ich nun weder Kohlensäure (nein verdammt(!), auch nicht Medium!!!) noch heiße Getränke oder fettiges Essen zu mir nehmen, da ich sonst ein Brennen erlebe, wie es sich niemand, der es nicht schon selbst erlebt hat, vorstellen kann.
Aber das ist alles vollkommen egal. Natürlich würde ich mich freuen, würde es mir wieder besser gehen, oder sogar wieder komplett gut, aber: Ich bekomme ein Baby!
(Im Übrigen finde ich, ist es totaler Humbug, wenn jemand sagt: “Na, damit musst du jetzt aber klarkommen!” oder: “Da darfste dich jetzt aber nicht beschweren!” wenn ich sage, es geht mir schlecht, mir tut alles weh oder ich bin ständig müde – denn nur weil ich mich für ein Kind entschieden habe, habe ich mich ja nicht dafür entschieden, einfach mal 9 Monate lang meines Lebens große Probleme mit dem Essen zu haben etc., schließlich kann niemand wissen, wie der Körper auf die Schwangerschaft reagiert, da das bei jedem komplett anders ist! Aber diese Reaktionen erlebe ich durchaus oft!)
Ich erlebe das Wunder des Lebens in mir. Und genau das ist es – ein Wunder. Nur weil mein Freund und ich uns lieben und einen Storch gegrüßt haben, entsteht nun plötzlich ein Leben in mir. Es wächst tatsächlich ein kleiner Mensch in mir heran. Ein Mensch der schläft und isst und tritt – ja, er tritt mich! Er – Projektname Thorben – gut 900 Gramm schwer, 27 Wochen alt, obwohl er noch nicht mal das Licht der Welt erblickt hat, mit funktionierenden Armen, Beinen, Augenlidern und – einem schlagenden Herzen!
Und bald wird dieser Mensch mich wach halten. mich nerven, mir die “Haare vom Kopf fressen” (wie Mama sagen würde), mich zur Weißglut treiben, meine Geduld strapazieren und dennoch meine ganze Liebe erfahren, so wie er es jetzt schon tut.
Nur noch 3 Monate, dann ist es soweit. Dann bin ich offiziell Mama – offiziell, da ich mich bereits jetzt schon so fühle, ich es eigentlich jetzt schon bin, mir das aber noch niemand zugesteht. Mama ist man offenbar erst, wenn man sein Kind in den Armen hält, noch nicht, wenn man es im Bauch trägt. Völliger Schwachsinn, wenn ihr mich fragt. Man muss bereits jetzt auf so viele Sachen – auf sich selbst, aber vor allem auf sein Baby achten – ich kann mir nicht mehr vorstellen, mich nicht mehr als Mama zu bezeichnen.
Ich bin schwanger und obwohl ich noch kein Kind habe, bin ich bereits Mama. Und egal wie anstrengend und unschön eine Schwangerschaft sein kann, liebe ich es über alles und ich bin unglaublich froh, dass es gerade mir passiert ist.